Erlebt und bewegt
In dieser Rubrik veröffentlichen wir regelmässig Beiträge aus der gleichnamigen Rubrik der Zeitschrift factum - mit freundlicher Genehmigung.
DAS BESTE TRAKTAT
Meine Frau fuhr alleine in die Stadt, um letzte Weihnachtseinkäufe zu erledigen. Natürlich war der Drolshagener ALDI-Markt in diesen umsatzstärksten Tagen des Jahres voller Kunden. Alle Einkaufswagen waren im Rennen. Vor den Kassen bildeten sich endlose Schlangen. Geschiebe, Gerangel und Gedränge drückten die adventliche Stimmung – wir alle kennen das. Doch leider ist dieser Stress vor der Feiertagskette unumgänglich. Kaum einer, der andere vorlässt. Missgunst statt Mitgefühl. Jeder ist sich selbst der Nächste.
Es ist nicht leicht, zwei Einkaufswagen voller Lebensmittel einarmig (!) durch die engen Regalreihen zu lavieren. Als meine armamputierte Frau (Schande über mich, dass ich sie bei diesem Grosseinkauf ALLEIN gelassen habe!) endlich die Kasse erreicht und mühsam den Inhalt ihres Einkaufswagens auf das Band legt, beobachtet sie der Mann hinter ihr. Das verunsichert sie zusätzlich. Geht ihm das zu langsam?
Nach dem Bezahlen schiebt meine Frau mühevoll ihre Wagen zum Parkplatz. Als sie die Heckklappe öffnet und erneut geduldig Stück um Stück in den Kofferraum räumt, hält ein Autofahrer direkt neben ihr und fährt die Seitenscheibe runter. Es ist der Mann, der vorher direkt hinter ihr an der Kasse gestanden hatte. «Entschuldigen Sie, wenn ich Sie unterbreche ...» – Meine Frau hat die Befürchtung, der Mann würde jetzt auf seinen verzögerten Einkauf zu sprechen kommen und dass sie mit ihrer Einschränkung den ganzen Laden aufgehalten habe. Aber weit gefehlt. Er fragt: «Wie kommt es, dass Sie als Einarmige fröhlicher und gelassener sind als alle Zweiarmigen in der gesamten ALDI-Filiale? Sie strahlen so viel Gelassenheit aus. Alle anderen sahen nur sich selbst. Aber Sie hatten sogar noch ein gutes Wort für die Verkäuferin. Bitte erklären Sie mir das. Wie können Sie als Invalide so glücklich sein?»
Mutig antwortete meine Frau: «Ganz einfach, weil ich Frieden mit Gott habe! Weil Jesus in mein Leben kam, habe ich Zuversicht. Er gibt mir Freude in mein Herz – unabhängig von meinen Umständen. Darum feiern wir ja auch in diesen Tagen Seine Geburt. Ach, warten Sie, wenn Sie mehr darüber wissen wollen: Hier ist eine Weihnachtspredigt auf CD.» Zum Glück hatte sie eine Vortrags-CD von Wolfgang Nestvogel im Auto, die sich gut zum Weitergeben eignet.
Ja, wenn wir «Christus in unseren Herzen heiligen», wird das nach aussen erkennbar. Dann werden Menschen neugierig «über die Hoffnung, die in uns ist» (1. Petr. 3,15). Haben Sie ein Gesicht, das Neugier erweckt auf die Hoffnung, die in Ihnen lebt? Denken Sie daran: Die grösste Kraft pro Fläche erzeugt der Gesichtsausdruck (Ronny Boch). In Psalm 34,6 heisst es: «Die auf ihn sehen, werden strahlen vor Freude» (LUT). Andere übersetzen: «Alle, die zu ihm aufschauen, werden strahlen vor Freude» (NGÜ) oder «Die von ihm ihre Hilfe erhoffen, werden vor Freude strahlen» (NLB). Das ist eine klare Kausalkette: Wenn a) geschieht, wird b) die Folge sein. Das beste Traktat, der überzeugendste Flyer, das glaubwürdigste Zeugnis ist ein fröhliches Gesicht. Wer sich bewusst an Gott orientiert, also tatsächlich «auf den Herrn schaut», der erlebt Hoffnung und Hilfe. Diese alltägliche Ausrichtung auf Gott wird nicht nur innerlich Zuversicht bewirken, sondern sich auch äusserlich widerspiegeln.
Welche Grundhaltung ist Ihnen ins Gesicht geschrieben? Stirnrunzeln oder Strahlenkönnen? Leider gilt auch das Gegenteil zu der Verheissung aus Psalm 34,6: Unser Gesichtsausdruck kann gegen uns zeugen (Jes. 3,9). Ein niedergeschlagener Blick wird das Evangelium konterkarieren. Kann mein Gesichtsausdruck als Beweismittel angeführt werden, die Frohe Botschaft glaubwürdig zu bezeugen? Oder eignet es sich eher als «Titelbild zu den Klageliedern», wie Klaus Güntzschel sagte? Bedenken Sie: «Man dreht jedoch nicht am Zeiger, dass das Werk in der Uhr recht gehe, sondern man bessert das Werk in der Uhr, dass der Zeiger recht gehe» (Matthias Claudius).
Adreas Fett