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Erlebt und bewegt

In dieser Rubrik veröffentlichen wir regelmässig Beiträge aus der gleichnamigen Rubrik der Zeitschrift factum - mit freundlicher Genehmigung.

URLAUB MIT GOTT

Wer von uns sehnt sich nicht nach Erholung und Urlaub. Wir brauchen Entspannung, müssen Abstand gewinnen von dem oft zermürbenden Stress, von den Belastungen und Pflichten, die uns das Leben aufbürdet. Wie gut tut uns ab und zu ein Tapetenwechsel. Mit neuen Perspektiven und neuer Kraft kommen wir wieder zurück. 

Mit dem Verlangen nach Urlaub verbindet sich die in uns tief verwurzelte Hoffnung auf ein erfülltes Leben: die Erwartung, eine schöne und heile Welt zu erleben. Wir alle leiden mehr unter der Entfremdung von Gott, uns selbst und dem Nächsten, als wir uns dies zugestehen. Die Kultur des Habens hat uns vom wahren Sein entfremdet. Auf vielen Ebenen macht sich die Haltung breit: «Ich gehöre ganz mir selbst.» Das Leben ist in vielen Bereichen vermarktet, daher reichen die Schatten des Todes und der Hölle weit in unser Leben hinein. Das allsommerliche «Urlaubsfieber» ist ein Schrei nach Leben und Erfüllung.

Inzwischen hat unsere moderne Freizeitkultur den Urlaub nahezu total vermarktet. Ihre Angebote sind weitreichend und vielversprechend, vom Wandern in heimatlichen Wäldern bis zu den abenteuerlichsten Reisen in ferne Kontinente. Der Urlaubsmarkt kennt alle Preisklassen: Von der einfachen Almhütte bis zum teuersten Luxushotel sollen die Wünsche der Kunden befriedigt werden.

Wo immer wir in diesem Jahr unseren Urlaub verbringen mögen, er will und kann für uns dennoch zum Ort der Erholung und Lebenserneuerung werden. Allerdings ist nicht die Entfernung von der Heimat der Gradmesser eines guten Urlaubs, sondern dass es uns gelingt, geistlich wieder einmal tief Atem zu schöpfen. So wie die Sehne eines Bogens nicht ständig gespannt sein darf, um ihre Spannkraft nicht zu verlieren, so brauchen wir Menschen einen gesunden Rhythmus zwischen Arbeit und Ruhe.

Wer wirklich zur Ruhe kommen will, darf Gott nicht ausklammern – auch nicht im Urlaub. Genauso wenig, wie es uns gelingen kann, für immer vor uns selbst zu fliehen, so wenig gelingt es uns Menschen, dem Schöpfer Himmels und der Erde auszuweichen. In vielfacher Weise greift Psalm 139 dieses Thema auf. Der lebendige Gott sieht alle unsere Wege, auch die Regungen unseres Herzens, und ist uns an jedem Ort näher, als wir uns bewusst sind. Dies ist befreiend und gesundend für den Menschen, der darum weiss, dass Gott uns Menschen liebt und unser Bestes will.

Im Urlaub können wir Zeit finden, einmal wieder über den Sinn und das Ziel unseres Lebens nachzudenken. Wir dürfen zur Ruhe kommen und finden Zeit zur Begegnung. Dabei merken wir, dass zwischen dem Atemholen in Gottes freier Natur und dem geistlichen Atemholen tiefe Zusammenhänge bestehen. Gott ist eben Schöpfer und Erlöser zugleich. In einem gelungenen Urlaub soll daher Leib und Seele genesen, der ganze Mensch sich erholen.

Zur Reiselektüre gehört darum auch die Bibel, die spannend ist, wenn sie mit wachem Herzen und einem regen Verstand gelesen wird. Im Urlaub sollen wir wach sein für das uns anvertraute und geschenkte Leben. Es lohnt sich, das Erlebte niederzuschreiben und Eindrücke und Begegnungen zu reflektieren. Wenn wir zum Beispiel im Johannesevangelium lesen, dass Jesus gekommen ist, um uns die Fülle des Lebens zu schenken, dann ahnen wir gerade im Urlaub etwas davon, wie weit wir und andere von diesem Leben entfernt sind, insbesondere auch angesichts der atemberaubenden kleinen und oft auch schrecklich grossen Not in unserer Welt.

Im Urlaub wird der Alltag mit seinen Zwängen durchbrochen. Er kann daher leichter zum Ort der Begegnung werden. Der Weg zum Herzen führt oft über Umwege. Wo wir aber im Urlaub heimfinden zu Gott und uns selbst, hat sich auch eine weite Reise gelohnt. Urlaub von Gott führt in den Tod – inmitten des Lebens. Urlaub mit Gott, der uns in Jesus Christus gnädig begegnet, macht das Leben jedoch erst wert, gelebt zu werden, weil sich in Gott Ziel, Sinn und Weg unseres Lebens immer neu finden.

Albrecht Hauser