Erlebt und bewegt
In dieser Rubrik veröffentlichen wir regelmässig Beiträge aus der gleichnamigen Rubrik der Zeitschrift factum - mit freundlicher Genehmigung.
"VERSCHUPFT"
«Sitzen hier die Verschupften?», fragte jemand ernst, als ich mich fröhlich in der hintersten Reihe im Gottesdienstraum setzte. «Wer? Haha ..., die was?», fragte ich etwas perplex. «Verschupft? Nein, nein, hier hinten sitzen keine ...» Ich schaute mich auf den hintersten Plätzen um. Nun ja, wenn man es genau nimmt, sitzen hier schon einige besondere Leute. Einzelgänger, Alleinstehende, Witwen, Aussenseiter. Leute, die sich zurückziehen, vielleicht keinen Anschluss finden oder einfach solche, die die Menge scheuen. Und ich sitze mittendrin – in der hintersten Reihe. Übrigens: Dort bin ich am Allerliebsten.
Während meiner Selbstanalyse, ob ich auch zu den erwähnten «Abseitsstehenden» zähle, frage ich mich: Ist das denn so wichtig? Es ist nun mal so, dass Singles einen anderen Weg geführt werden als Verheiratete. Auch Leute mit «Handicap» können vieles nicht mittun, was für Gesunde selbstverständlich ist. Und der Weg der Witwen sieht ebenfalls anders aus – wird mitunter einsamer und stiller.
Im Internet wird das Wort «verschupft» zum Beispiel mit verstossen, unwert, beiseite gesetzt und verachtet umschrieben. Sich so zu fühlen, ist nicht erbauend und darüber hinaus ungesund. Die Gedanken drehen sich nur noch um sich selbst und die eigene Befindlichkeit. Das ist völlig nutzlos. Es geht nicht nur um uns. Aber wie oft blicken wir auf uns selbst und unsere Empfindlichkeiten. Hat man uns verletzt? Na und? Wir werden zeitlebens verletzt und verletzen andere.
Als eine alleinstehende junge Frau arbeitslos wurde, verlangte sie von ihren gestressten Mitchristen, dass sie sich nun schleunigst um sie kümmern sollten, mit Einladungen, Ausfahrten und so weiter. Natürlich ist es schön, wenn jemand von sich aus auf den Gedanken kommt, sich um die «Randgruppen» der Gemeinde zu kümmern – und sei es auch nur für ein kleines Gespräch, ein aufrichtiges Nachfragen. Aber erwarten darf man es nicht. Man weiss ja auch nicht, mit welchen Sorgen und Nöten sich andere gerade herumschlagen müssen. Auch sie fühlen sich vielleicht manchmal am Rand und alleingelassen.
Als wir einmal in einer kleinen Gruppe fröhlich beim Essen in einem Restaurant zusammensassen, fragte ein Vietnamese am Nebentisch interessiert, wer wir denn seien. «Wir sind Singles aus einer Gemeinde, die sich am Sonntag zusammentun, um nicht alleine zu sein.» – «Alleine?», so die erstaunte Frage des fremden jungen Mannes. «Wer Jesus hat, ist nie alleine!», sagte er schlicht und voller Wärme. Jetzt musste doch tatsächlich einer aus Vietnam kommen, um uns zu sagen, was im Leben das Wichtigste und Tröstlichste ist.
Lenken wir unseren Blick von uns weg auf Jesus Christus, der mehr als alle verschupft und verstossen war. Und das seit seiner Geburt. Der König der Könige kam auf einem einsamen Feld in irgendeinem kalten, unwirtlichen Ort zur Welt. Sein ganzes irdisches Leben lang wurde er verhöhnt, gehasst, verachtet und schliesslich ans Kreuz genagelt. Er, der die Menschen heilte, sie liebte und sein Leben für die Schuld der Welt dahingab, hing am Holz und rief: «Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?» (Matth. 27,46). Diese tiefste Einsamkeit muss kein Mensch mehr durchleben.
Richten wir unseren Blick auf unseren Heiland und vertrauen wir uns froh und dankbar Seiner Führung an. Er steht jedem Menschen auf seinem Weg zur Seite. Ob «verschupft» oder «hochgeehrt» ist unwichtig. Sagen wir JA zu dem Platz, auf dem wir stehen. An Jesu Hand, durch den Glauben an Ihn, sind wir Königskinder. Dadurch ist jeder Mensch nicht nur nie allein, sondern auch wertvoll und geliebt. Auch die in der hintersten Reihe.
Deborah Dentler, Christliche Bühne «Die Boten», www.dieboten.ch